5-HTP - Glücklich und ausgeschlafen
von Bettina Halbach in der Frühlingsausgabe 2018
Wer verbrachte nicht schon mal eine schlaflose Nacht, oder wer war nicht schon einmal traurig? Das kann passieren und schadet dem Körper nicht. Dauernde Schlaflosigkeit und depressive Verstimmungen zehren dagegen an den Kräften. Aber man kann etwas tun, um die Gesundheit wieder herzustellen. Eine Möglichkeit ist, die tägliche Ernährung mit dem Eiweißbaustein 5-HTP (5-Hydroxytryptophan) zu ergänzen. 5-HTP kommt in der Natur vor und entsteht darüber hinaus auch in unserem Stoffwechsel.
Der Beitrag stellt den Ruhespender vor und sagt, was bei der Einnahme zu beachten ist – ersetzt aber weder eine heilkundige Diagnose noch eine Behandlung.
Vorkommen
Man gewinnt 5-HTP aus dem Samen der afrikanischen Schwarzbohne. Ihr botanischer Name ist Griffonia simplicifolia. Griffonia wächst entlang Gewässern und niedrigen Hügeln in Süd- und West-Afrika. Die schnellwachsende Schlingpflanze zählt wie Erbsen oder Linsen zur Familie der Hülsenfrüchte. Sie kann 3-4 Meter hoch werden. Nach der Blüte bilden sich schotenförmige Samenkapseln. Zur Reife explodieren die Kapseln und schleudern dabei 8cm große schwarze Samen in die Umgebung. Aus den Samenkapseln gewinnen Lieferanten die Samen, trocknen und mahlen sie. Aus dem Pulver stellt die verarbeitende Industrie dann Tabletten her.
Wirkung
5-HTP hat keine eigene biologische Wirkung. Aber 5-HTP-Gabe hebt den Serotonin- und damit auch den Melatonin-Spiegel im Körper an. Die beiden chemischen Substanzen sind wichtig für unser Wohlbefinden. Melatonin steuert den Tag-Nacht-Rhythmus. Das Hormon sorgt dafür, daß wir gut schlafen können. Es wird im Gehirn aus Serotonin gebildet: Dieser Neurobotenstoff beeinflußt alle Gehirnfunktionen direkt oder indirekt. So steuern Serotonin wie Melatonin den Schlaf, aber auch zum Beispiel den Appetit, speziell unsere Lust auf Süßes. Außerdem sorgt Serotonin für ein Gefühl innerer Ruhe und Zufriedenheit.
Stoffwechsel
Wenn wir depressiv verstimmt sind oder schlecht schlafen, könnte sich ein Serotonin-Mangel dahinter verbergen. Oder besser: Es mag im Gehirn ein Mangel an der Serotonin-Vorstufe Tryptophan bestehen. Der lebensnotwendige Eiweißbaustein kann vom Körper nicht selber hergestellt werden.
Um uns über das Tief hinweg zu helfen, können wir überprüfen, ob wir genügend Tryptophan mit der Nahrung aufnehmen. Denn das Tryptophan aus der Nahrung wird im Gehirn in Serotonin umgewandelt. Liegt tatsächlich ein Tryptophanmangel vor und ernähren wir uns tryptophanreicher, können wir noch lange nicht wieder besser schlafen oder gar vor Freude Bäume ausreißen: Erst wenn Tryptophan zwei Hürden überwunden hat, wird es im Gehirn in Serotonin umgewandelt.
Hürde Nummer 1: Der Körper verwendet den größten Anteil des Nahrungstryptophans für den Aufbau von Bau- und Wirkstoffen. Nur eine geringe Menge Tryptophan bleibt für die Synthese von Serotonin übrig. Diese geringe Menge muß mit Hilfe eines Transporteurs durch die Blut-Hirn-Schranke an den Ort der Serotoninbildung gelangen.
Hürde Nummer 2: Tryptophan wird nur über die Zwischenstufe 5-HTP in Serotonin umgewandelt. Für diesen Schritt ist wichtig, daß wir gut mit Vitamin B6 versorgt sind. Darüber hinaus kann Streß sich negativ auf die Umwandlung von Tryptophan in 5-HTP auswirken.
Weil Tryptophan eben doch nicht so gut in Serotonin umgewandelt wird, wie es bei einem (scheinbaren) Serotoninmangel wünschenswert wäre, liegt es nahe, dem Körper direkt die Zwischenstufe zuzuführen, die zur Serotoninbildung erforderlich ist, also 5-HTP: Es wird nach der Einnahme rasch in den Blutkreislauf aufgenommen und überwindet die Blut-Hirn-Schranke problemlos, um ein optimales Serotoningleichgewicht im Gehirn herzustellen.
Anwendungsgebiete
5-HTP wird in Europa seit langem bei physischen und psychischen Erkrankungen angewandt, die mit Serotonin zusammenhängen. Wie 5-HTP wirkt, weckt bereits seit drei Jahrzehnten die Neugierde der Wissenschaft:
- Schlaf

Die positive Wirkung einer Tryptophan-Supplementierung auf den Schlaf ist bekannt. Da 5-HTP auf dem direkten Stoffwechselweg vom L-Tryptophan zum Serotonin und zum Melatonin liegt, vermutete man, daß die Einnahme von 5-HTP ebenfalls zu diesem Effekt führt. Eine kanadische Studie zum Beispiel zeigte, daß 5-HTP uns zur Ruhe bringen kann: Alle Studienteilnehmer, die 5-HTP einnahmen, schliefen besser und tiefer, aber nicht unbedingt länger.
Manche Kinder, aber auch Erwachsene, leiden nachts unter Ängsten. In einer italienischen Studie beobachteten Experten in 2004, daß Studienteilnehmer 6 Monate nach einer 20 Tage langen Einnahme von 5-HTP nachtschreckfrei waren.
Depressionen tragen zur Entstehung von Herzkrankheiten bei. Daher geht man davon aus, daß die Einnahme von 5-HTP über die direkte Erhöhung der Serotonin-Bildung dazu beiträgt, Depressionen zu mildern und folglich auch das Risiko für Herzkrankheiten zu senken.
Bereits 1992 beobachteten Wissenschaftler in einer Studie, daß übergewichtige Patienten, die 5-HTP einnahmen, automatisch seltener zu zuckerreichen Lebensmitteln griffen und früher satt waren, als normalerweise. Sie schlossen aus ihren Ergebnissen, daß 5-HTP geeignet ist, eine Diät zu unterstützen.
Eine andere wissenschaftliche Studie aus 1992 konnte zeigen, daß sich die Lebensqualität von Patienten mit Fibromyalgie während 5-HTP-Einnahme erhöhte: Die Schlafqualität zum Beispiel verbesserte sich, sie waren weniger müde, und Schmerzzustände ließen nach.
In einer weiteren Studie wurden Migränepatienten mit entweder 5-HTP oder einem allgemein verschriebenen Medikament für Migräne behandelt. 5-HTP hatte eine vorteilhafte Wirkung in Bezug auf die Intensität und Dauer der Migräneattacken.
Qualität
5-HTP ist kein Medikament, sondern eine Nahrungsergänzung. Man bekommt 5-HTP rezeptfrei. Aber Nahrungsergänzung ist nicht gleich Nahrungsergänzung. Man sollte daher darauf achten, daß das ausgesuchte Präparat hoch genug dosiert ist: Es sollten neben reinem Griffonia-Extrakt 50–100mg 5-HTP pro Kapsel enthalten sein. Darüber hinaus sollte die Nahrungsergänzung der Wahl frei sein von unerwünschten Füllstoffen, Bindemitteln, Beschichtungen, Süßstoffen, Farbstoffen, Duft- oder Hilfsstoffen. Außerdem sollte das 5-HTP-Produkt gentechnikfrei hergestellt sein.
Nützliche Tipps
Für die Einnahme sollte man sich an die Verpackungsaufschrift halten. Außerdem ist es wichtig, achtsam zu sein, wie der Körper 5-HTP annimmt. Empfehlenswert ist, eine bis höchstens zwei Kapseln 5-HTP pro Tag zum Essen oder vor dem Schlafengehen einzunehmen. Man beginnt langsam mit der Einnahme, also mit einer Kapsel täglich, und steigert dann. Es kann circa 6 – 12 Wochen dauern, bis die Wirkung von 5-HTP eintritt. Das ist individuell verschieden. Bei Sklerodermie darf man nicht zusätzlich mit 5-HTP supplementieren. 5-HTP sollte außerdem nicht zusammen mit Antidepressiva oder anderen Psychopharmaka eingenommen werden. Der Körper könnte je nach Medikament mit Serotonin überlastet werden. Darüber hinaus ist 5-HTP ungeeignet für Kinder unter 18 Jahren und für Frauen während Schwangerschaft und Stillzeit.
Weil Vitamin B6 eine wichtige Rolle bei der Umwandlung von 5-HTP in Serotonin spielt, kann, wer möchte, gleichzeitig auf eine Vitamin B6–reiche Ernährung achten. Der Vitamin B6-Tagesbedarf beträgt beim Erwachsenen 1,2 mg. Vitamin B6 steckt in vielen Lebensmitteln. Zum Beispiel in Fleisch, in Vollkornprodukten, in Gemüsen wie Brokkoli und Spinat, in Bananen sowie in Wal- und Erdnüssen.
Zusammenfassung
5-HTP ist ein pflanzlicher Eiweißbaustein, der außerdem natürlicherweise in unserem Stoffwechsel entsteht. 5-HTP ist u.a. daran beteiligt, daß wir positiv gestimmt sind und gut schlafen. 5-HTP hat einige positive Einsatzgebiete. Um die beste Wirkung zu erzielen, sollte man 5-HTP 30 Minuten vor einer Mahlzeit einnehmen.
Literatur:
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